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Mitfahrbänke verbinden - das größte "Bänkenetz" Deutschlands

Mitfahrbänke in Oberfranken

Mann und Frau sitzen auf Mitfahrbank
Mitfahrbänke sollen weitere Verkehrsformen ergänzen - wie hier in Oberfranken
© Oberfranken Offensiv e.V.
Mitfahrbank vor einem Fluss in Himmelkron

Oberfranken Offensiv e.V. ist eine der ältesten und mitgliederstärksten Regionalinitiativen Deutschlands. „Unser Ziel ist es, das Image des Regierungsbezirks Oberfranken zu stärken und durch Regionalentwicklungsprojekte dazu beizutragen, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen“, erklärt Sandra Wolf, Teamleitung im Demografie-Kompetenzzentrum Oberfranken (DemKo). Das DemKo ist ein Projekt des Oberfranken Offensiv e.V. und wird gefördert durch das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat. Im Jahr 2017 initiiert, wird dort hauptsächlich das Thema Demografischer Wandel behandelt. „Demografischer Wandel ist ein sehr vielschichtiger Begriff“, erklärt Wolf, „ein Teilbereich davon ist der Zugang zu Mobilität.“ Inspiriert von einem ähnlichen Projekt in der Eifel wurde bei einem Fachforum 2018 diskutiert, ob die Installation von Mitfahrbänken die mangelhafte ÖPNV-Ausstattung etwas kompensieren könnte.

Nach positiver Resonanz durch einige Bürgermeister, entschied sich der Verein, einen Wettbewerb ins Leben zu rufen, bei dem 20 Kommunen Bewerbungen für Mitfahrbänke einreichen konnten: „So kam das Ganze ins Rollen.“ Kurz darauf wurden 40 Mitfahrbänke in den neun oberfränkischen Landkreisen aufgebaut. Die Bänke wurden alle im einheitlichen Oberfranken-Design gestaltet, um einen Wiedererkennungswert zu schaffen. Inzwischen stehen etwa 240 Bänke in ganz Oberfranken und bilden damit das größte Bänkenetz in Deutschland.

Kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit entscheidend

An jeder Bank sind Haltestellenschilder angebracht, mit denen Nutzende angeben können, wohin sie mitgenommen werden möchten. Die Zielschilder – meist drei bis fünf – und die Standorte der Bänke werden von der jeweiligen Kommune ausgewählt. Der Kontakt zur Produktion kann, wenn gewünscht, über das DemKo vermittelt werden. Die meisten Bänke werden in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung hergestellt. „Die Bänke sind so beliebt, dass bereits Kindergärten und Privatpersonen Interesse an diesen zeigen“, berichtet Wolf.  Das DemKo unterstützt daneben bei der Öffentlichkeitsarbeit und stellt Werbemittel bereit. Außerdem werden auf der Internetseite des DemKo die Standorte der Bänke auf einer interaktiven Karte aktuell gehalten.

Um das Bewusstsein für die Mitfahrbänke zu schärfen, spiele gute Öffentlichkeitsarbeit eine entscheidende Rolle. „Wenn man das Thema nicht immer am Leben hält, hat man Schwierigkeiten, dauerhafte Akzeptanz zu schaffen“, warnt Wolf, „der Individualverkehr ist einfach vorherrschend.“ Um die Bekanntheit der Bänke zu steigern, wurden bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen. Gemeindeblätter und Tageszeitungen werden bevorzugt zur Bekanntmachung genutzt, doch auch das Radio unterstützt. Es gab etwa eine Aktion, bei der Radiomoderatoren Interviews mit Anhaltern auf Mitfahrbänken führten. Neben der Bekanntheit der Bänke selbst, wurden durch die Radioaktion die Standort-Kommunen beworben.

Die Nutzung der Mitfahrbänke wurde in den Jahren 2019 und 2020 erhoben. Dazu wurden alle Bürgermeister und Umsetzungsbegleitungen der Integrierten Ländlichen Entwicklungen – interkommunale Zusammenschlüsse – in Oberfranken befragt. Immerhin 75 Prozent der Befragten gaben für das Jahr 2020 an, dass die Bänke genutzt werden. „Während Corona waren die Mitfahrbänke sicher weniger attraktiv, doch dank der durchgeführten Marketingmaßnahmen wurde die Diskussion in der Dorfgemeinschaft darüber zumindest angeregt“, denkt Wolf.

Niederschwellige Option für den ländlichen Raum

„Wir sind hier im ländlichen Raum, das ÖPNV-Angebot ist äußerst begrenzt“, erklärt Wolf, „aber auf dem Land kennt man sich.“ Das mache es einfacher, Fahrgemeinschaften durch Mitfahrbänke zu bilden. „Natürlich existieren immer Vorbehalte darüber, wer mitfährt oder wer anhält. Diese gilt es zu durchbrechen“, so Wolf. In vielen Gemeinden gäbe es Ideen, wie die Mitfahrten sicher gestaltet werden können, zum Beispiel durch Ich nehme mit-Aufkleber für das Auto oder die Hinterlegung von Personalien bei den Kommunen: „Das ist eine Gratwanderung zwischen einem niedrigschwelligen, unkomplizierten System und einer bürokratischen Vertrauensschaffung.“ Ein schöner Nebeneffekt sei, dass die Bänke nicht nur zum Mitfahren genutzt werden. „Dazu gibt es sogar eigens angefertigte Bloß Plaudern-Schilder“, freut sich Wolf.

Kein Ersatz, aber gute Unterstützung

„In der multimodalen Mobilität ist die Mitfahrbank kein Ersatz für weitere Verkehrsmittel, aber eine gute Unterstützung“, fasst Wolf zusammen. Beachten sollte man, dass jede Ursprungsbank eine Gegenbank benötigt. Die Mitfahrbank sollte von Weitem gut sichtbar sein und im Idealfall an einem frequentierten Standort wie an einem Geldinstitut oder einer Apotheke stehen, der Parkmöglichkeiten bietet.

Für interessierte Akteure, die das Konzept der Mitfahrbänke selbst initiieren möchten, stellt das Demografie-Kompetenzzentrum Oberfranken mehrere Checklisten zur Verfügung. Diese und weitere Informationen finden Sie auf der Projektwebseite.


> Im Rahmen unserer Kampagne "Unterwegs - Vernetzte Mobilität im ländlichen Raum" stellen wir vielfältige Ansätze für klimafreundliche Mobilität auf dem Land vor <

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