Als im Jahr 2009 die Anfrage eines Münchner Investors zum Bau einer Windenergieanlage im Gemeindegebiet kam, hatte Bidingen einen sehr hohen Schuldenstand. „Als die Anfrage im Gemeinderat behandelt wurde, kamen wir ins Nachdenken“, erinnert sich Franz Martin, Erster Bürgermeister der Gemeinde, „wenn ein Investor bei uns mögliche Gewinne aus der Windkraft sieht, warum können wir als Gemeinde nicht selbst Windstrom erzeugen und verkaufen?“ Aus diesen Einnahmen sollten die Schulden abgebaut werden. „Außerdem wollten wir aus ökologischen Gründen bei der Energiewende mitwirken“, sagt Martin.
Schulden aufnehmen, um Schulden abzubauen
Zunächst gab es auch Zweifel an der Idee: „Die Investitionen in ein Windrad liegen schließlich in Millionenhöhe. Wir müssten zunächst neue Schulden aufnehmen, um unsere Schulden zu reduzieren.“ Wirtschaftlichkeitsberechnungen haben aber gezeigt, dass sich das für die Gemeinde lohnen wird. „Wir haben mit Worst-Case-Szenarien gerechnet, um zu sehen, wie viel Ertrag selbst in windschwachen Jahren möglich ist“, erklärt Martin. Eine Auflage der Kommunalaufsicht war, dass jedes Jahr Gewinne erzielt werden müssen: „Glücklicherweise haben wir einen Standort gefunden, wo das möglich ist.“
Um sicherzustellen, dass die Bevölkerung hinter dem Projekt steht, hatte der Gemeinderat über ein Ratsbegehren einen Bürgerentscheid initiiert. Bei zwei Infoveranstaltungen kamen Pro- und Contra-Argumente zum Windrad zur Sprache. „Im gleichen Jahr geschah das Reaktorunglück in Fukushima, wodurch die erneuerbaren Energien in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt sind“, so Martin. Am Ende fiel der Bürgerentscheid im Jahr 2011 mit einer Zustimmung von 55 % für das Gemeindewindrad aus: „Erfreulicherweise wurde die Mehrheit akzeptiert und die Diskussionen waren abgeschlossen.“
Hürden wurden genommen
Damit konnten die Planungen weitergehen. „Eine Hürde war die damals geltende Gemeindeordnung, nach der eine Gemeinde nur so viel Strom erzeugen durfte, wie sie verbraucht“, erinnert sich Martin. Für Bidingen allein hätte das Windrad zu viel Strom erzeugt: „Wir haben uns deshalb an unsere Nachbargemeinde Ingenried in Oberbayern gewandt. Das war tatsächlich das erste Mal, dass ich Kontakt zu meinem Amtskollegen dort hatte, obwohl wir nur wenige Kilometer auseinanderliegen – aber eben in zwei Regierungsbezirken.“ Dort stieß das Projekt auf offene Ohren und den beiden Gemeinden gehört das Windrad nun gemeinsam. Bidingen hat 75 Prozent Anteil am Windrad, Ingenried 25 Prozent – die Einnahmen werden entsprechend aufgeteilt.
Eine weiterer Punkt war der Denkmalschutz, denn drei Kilometer vom Windrad entfernt steht eine denkmalgeschützte Kapelle. Laut Denkmalschutz hätte das Windrad die Sicht auf die Kapelle beeinträchtigt. „Wir haben deshalb einen Bebauungsplan aufgestellt, zu dem die Träger öffentlicher Belange, zum Beispiel die Denkmalschutzbehörde, eine Stellungnahme abgegeben haben“, erklärt Martin, „als Kommune hatten wir so den Entscheidungsspielraum, um die eingereichten Argumente selbst abzuwägen.“
Windkraft zahlt sich aus
Im Frühsommer 2014 wurde das Windrad schließlich in Betrieb genommen. Seitdem fließen die Einnahmen direkt in den kommunalen Haushalt. „Unsere Prognosen sind glücklicherweise eingetroffen. Pro Jahr erzielen wir im Durchschnitt einen Reingewinn von 250.000 Euro“, freut sich Martin, „das tut dem Gemeindehaushalt sehr gut.“ Für 2022 liegen zwar noch keine endgültigen Zahlen vor, doch Martin geht davon aus, dass es das bisher beste Jahr sein wird: „Der Strompreis war zeitweise sehr hoch und lag etwa im August fast beim Fünffachen unserer festen EEG-Vergütung.“ Eine gewisse Risikobereitschaft in Kombination mit guter Planung und der Einbindung der Bürgerschaft zahlt sich für die Gemeinde Bidingen mittlerweile also aus.