Herr Eigstler, wie entstand
die Idee, einen Solarpark in Wiggensbach zu bauen?
Thomas Eigstler: Photovoltaik auf Dachflächen nutzen wir schon länger. Seit 2014 haben wir außerdem eine kleine PV-Anlage für den Betrieb von Pumpen an unseren Trinkwasserquellen und hiermit sehr gute Erfahrungen gemacht. Ein Ausbau der Photovoltaik in der Freifläche war aber lange schwierig, da wir an keinen Verkehrstrassen liegen. Im Jahr 2019 wurde dann der gesamte Landkreis Oberallgäu als landwirtschaftlich benachteiligtes Gebiet ausgewiesen. Damit konnten wir größere PV-Freiflächenanlagen im Gemeindegebiet planen.
Wir haben ein gemeindliches Grundstück im Wasserschutzgebiet dafür ins Auge gefasst und im Juni 2020 die Idee im Gemeinderat diskutiert. Dieser wollte die Anlage sogar größer planen. Deshalb haben wir uns mit starken Partnern aus der Region zusammengeschlossen.
Wie sieht dieser Zusammenschluss aus?
Gemeinsam mit der Solarenergie Allgäu haben wir eine Betriebsgesellschaft gegründet. Die Betriebsgesellschaft ist zu 40 % in Hand des Markts Wiggensbach, da 40 % der PV-Anlage auf dem ausgewählten Gemeindegrundstück liegen. Die restlichen 60 % der Gesellschaft gehören der Solarenergie Allgäu, die wiederum ein Zusammenschluss aus dem Zweckverband Abfallwirtschaft Kempten und den Allgäuer Überlandwerken ist. Damit ist die Anlage direkt oder indirekt komplett in kommunalen Händen.
Für uns als Gemeinde war eine Kooperation wichtig, denn mit unseren 12 Mitarbeitern könnten wir ein solches Projekt allein nicht stemmen. Durch die Zusammenarbeit mit Partnern, die regionale Verantwortung tragen, können wir sicherstellen, dass die Einnahmen aus der Stromerzeugung in der Region bleiben.
Welche Rückmeldungen kamen aus der Bürgerschaft?
Wir haben mit Gegenwind gerechnet, der aber nicht aufkam. Wir hatten ein paar Nachfragen, warum wir keine Möglichkeit für Bürgerinnen und Bürger vorgesehen haben, Geld zu investieren und Anteile an der Anlage zu zeichnen. Wir wollten jedoch alle Menschen in Wiggensbach beteiligen, unabhängig von ihren finanziellen Spielräumen. Da wir als Gemeinde 40 % der Einnahmen erhalten, profitieren mittelbar alle unsere 5.000 Einwohner.
Warum ist es für Kommunen wichtig, sich bei der Energiewende zu beteiligen?
Zunächst ist die Stromversorgung eine verfassungsmäßige Aufgabe von Kommunen. In den letzten Jahrzehnten haben private Unternehmen diese übernommen, aber mit der Energiewende spielen Kommunen hier wieder eine wichtige Rolle. Daneben spüre ich ein Umdenken in der Bevölkerung: Widerstände gegen Erneuerbare-Energien-Anlagen sind Zustimmung gewichen. Strom aus erneuerbaren Energien ist günstiger und zuverlässiger als Importe aus dem Ausland.
Langfristig ist für die Akzeptanz wichtig, dass die Wertschöpfung vor Ort bleibt. Mit der Kommune als Betreiber können Erlöse für den öffentlichen Bereich eingesetzt werden. Und der erzeugte Strom kann direkt in der Region verbraucht werden. Wir haben deshalb einen Direktvermarktungsvertrag mit einem regionalen Lebensmittelversorger, der zumindest rechnerisch mit dem aus unserer Anlage erzeugten Strom seine Läden betreiben kann.
Was würden Sie Kommunen mit auf den Weg geben, die noch unsicher sind, ob sie bei der Energiewende mitmischen sollen?
Macht es, nehmt das Heft selbst in die Hand! In der Energiewende stecken große Chancen für Kommunen. Das Rad muss nicht mehr neu erfunden werden, man kann von anderen lernen. Aber man muss eben loslegen und darf sich nicht von möglichen Widerständen bremsen lassen. In den meisten Fällen gibt es nämlich eine stille Mehrheit, welche die Energiewende vor Ort will. Deshalb hat die Kommune eine wichtige Rolle als Vorbild und treibende Kraft.
Wiggensbach ist auch im Bereich Mobilität aktiv. Welche Angebote haben Sie hier?
Im Juni 2022 ist eine zweijährige Pilotphase für ein Carsharing-Angebot angelaufen, angestoßen durch das Projekt AllgaEu-mobil. Ehrlicherweise ist die Nachfrage allerdings sehr schlecht – nicht ganz unerwartet. Die meisten Menschen haben ein Zweitauto und derzeit keinen Grund, auf ein Sharingangebot umzusteigen. Wir wollen es aber zumindest probieren.
Gemeinsam mit dem Regionalentwicklung Oberallgäu e.V. werden wir im Frühjahr 2023 einige Mitfahrbänke bei uns und in den umliegenden Kommunen aufstellen, um damit Querverbindungen auf Strecken ohne ÖPNV zu schaffen.
Ein weiteres Angebot, bei dem ich vor allem bei der jungen Generation hoffe, dass es genutzt wird, ist die Mitfahrplattform Fahrmob.eco. Hier soll das Mitfahren auf kürzeren Strecken attraktiv werden, indem lokale Vereine miteingebunden werden.
Die Arbeit geht Ihnen also nicht aus…
Ich gehe immer mit Spaß an die Sache ran und bin stolz darauf, was wir umgesetzt haben und noch umsetzen werden. Wir haben schon seit 12 Jahren ein kommunales Energiemanagement, seit neun Jahren sind wir beim European Energy Award dabei. Als nächstes planen wir eine PV-Dachanlage auf unserem Pflegeheim, die in Kombination mit einem Energiespeicher eine Insellösung schafft und so über einige Stunden einen Stromausfall überbrücken kann.
Auch die Windenergie kommt (wieder) auf. In den 1990er Jahren hatten wir die erste Windkraftanlage im Allgäu, die leider 2014 abgebaut wurde. Die Anwohner hatten sich so an den Anblick gewöhnt, dass seitdem Fragen dazu kommen, wann wir wieder ein Windrad bauen. Das wollen wir bald angehen, natürlich wieder in kommunaler Hand. Mit der Energiewende ergeben sich für Kommunen, Bürgerinnen und Bürger ganz neue Möglichkeiten, um die Region zu stärken.
Vielen Dank für das Interview!