Frage: Wie sind Sie mit dem Thema erneuerbare Energien in Berührung gekommen?
Degelmann:
Das Thema hat mich gepackt, seit ich meine Diplomarbeit im
Landwirtschaftsstudium zur energetischen Nutzung nachwachsender
Rohstoffe geschrieben habe. Seit 1992 arbeite ich bei der Kreisgruppe
Hof des BUND Naturschutzes und konnte 1995 meinen damaligen Vorgesetzten
davon überzeugen bei der Windkraft aktiv zu werden.
F: Warum wollten Sie die Windkraft in der Region etablieren?
D:
In den 1990er Jahren war Hof die Stadt mit der schlechtesten
Luftqualität in Deutschland. Schadstoffe wurden aus der Kohleverbrennung
im Westen und Osten sowie aus der chemischen Industrie im Norden in
Richtung Hof geweht. Viele Kinder hatten damals auch gesundheitliche
Probleme und die Bevölkerung wollte saubere Luft. Deshalb stieß die Idee
einer emissionsfreien Stromversorgung mit Windenergie auf positive
Resonanz.
F: Windkraft an Land war damals noch recht unbekannt. Hatte die Bürgerschaft keine Bedenken?
D:
Mir war klar, wir müssen die Bevölkerung in das Projekt einbinden, um
Bedenken frühzeitig ausräumen. Wir haben Fahrten zu einer der ersten
Windkraftanlagen an Land im Erzgebirge organisiert, wo wir uns mit den
Anwohnern austauschen konnten. Die einhellige Meinung dort war, dass das
Windrad nicht stört.
F: Das heißt, der Bau konnte starten?
D:
Zumindest hatten wir nun die Unterstützung der Bevölkerung. Dann stand
die Frage der Finanzierung im Raum. Dazu haben wir eine
Kommanditgesellschaft gegründet, an der sich 100 Bürgerinnen und Bürger
aus der Region beteiligt haben. Die Einnahmen aus der Stromerzeugung des
Bürgerwindrads bleiben somit bis heute vor Ort. Errichtet haben wir das
Windrad schließlich im Dezember 1995 bei starkem Schneefall und am
Dreikönigstag 1996 ging die Anlage ans Netz.
F: Heute sehen wir vom Standort des ersten Windrads in Sellanger viele weitere Anlagen – sind diese auch Bürgerwindanlagen?
D:
In Selbitz haben wir noch einen Bürgerwindpark, der Großteil der 113
Windkraftanlagen im Landkreis Hof ist aber in der Hand großer
Investoren. Wir haben die höchste Windraddichte Bayerns, was mich
natürlich freut. Schöner wäre es aber, wenn mehr davon in Bürgerhand
wären.
F: Seit 2006 sind Sie nun bei der Energievision Frankenwald aktiv. Mit welchem Ziel wurde der Verein gegründet?
D:
Die Energievision Frankenwald wurde zunächst als LEADER-Projekt
gefördert, um touristische Einrichtungen in der Region bei
Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energien zu unterstützen.
Nach der Projektlaufzeit wurde 2008 der Verein gegründet mit dem Ziel,
die Energieversorgung im Frankenwald weitgehend erneuerbar und regional
zu gestalten. Projekte sind etwa der Aufbau von Bioenergiedörfern,
Führungen und Infotafeln zu interessanten Orten der Energiewende oder
Umweltbildungsprogramme.
F: Was ist Ihre Motivation für das Engagement?
D: Wir leben in einer wunderschönen Region, diese müssen wir für uns und unsere Kinder erhalten.
F: Wird die Umsetzung einer erneuerbaren und regionalen Energieversorgung politisch gefördert?
D:
Es gibt häufig schon gute finanzielle staatliche Förderungen. Was fehlt
ist oft das Personal, um Projekte richtig zu planen und umzusetzen.
Hier wären regionale Manager wie bei den Ökomodellregionen ideal, um
Interessen zu vernetzen.
F: Wo sehen Sie noch Herausforderungen?
D:
Der Wunsch nach Veränderung muss von den Bürgerinnen und Bürgern selbst
kommen. Auf dem Land haben wir die Natur direkt vor der Haustür – ich
würde mir wünschen, dass die Menschen dieses Privileg stärker zu
schätzen wissen. Wir müssen auch bereit sein, etwas zurückzugeben, um
unsere Heimat zu erhalten. Ich bin überzeugt, dass die Bevölkerung
gerade am Land nicht auf Hilfe von außen warten muss, sondern selbst
anpacken kann, um den Schatz der regionalen, erneuerbaren
Energieversorgung zu heben. Kurz gesagt, wir können’s und ich wünsche
mir, wir würden es auch tun.
F: Herzlichen Dank für Ihre Zeit und das Interview.
Weitere Infos zum Verein gibt es auf der Webseite der Energievision Frankenwald.
Energie aus der Region für die Region
Bürgerenergie im Frankenwald
Datum
12. Januar 2022
Regierungsbezirk
Oberfranken
Hashtags
Projektposition