„Wir heizen mit Hackschnitzeln und kaufen dafür regionales Holz. So sind wir nicht mehr Spielball des Erdöl-Weltmarktes“, sagt Karsten Heeschen, Vorstandsvorsitzender der Nahwärme-Genossenschaft in Gössenheim. „Im Rahmen der Dorferneuerung sollten die Straßen aufgerissen werden. Gleichzeitig waren die Ölpreise hoch“, so Heeschen, „wir haben uns gefragt: kann man dann nicht gleich Nahwärmeleitungen durch den Ort legen?“ Die Idee einer günstigeren, CO2-neutralen Wärmeversorgung wurde zum Selbstläufer. Heute sind rund 90% der Haushalte des 900-Einwohner Dorfes und viele öffentliche Gebäude an das Netz angeschlossen.
Die Dorfgemeinschaft organisiert sich
Die Dorferneuerung, gefördert und begleitet durch das Amt für Ländliche Entwicklung Unterfranken, war der Ausgangspunkt: „Um zu sehen, wie die Bevölkerung zur Nahwärme steht, hat der Arbeitskreis Energie eine Befragung durchgeführt“, erinnert sich Heeschen, der damals im Arbeitskreis aktiv war, „bei einer Rücklaufquote von 80% gaben die meisten an, sich an ein Nahwärmenetz anschließen zu wollen.“ Gemeinsam mit der Gemeinde wurde dann überlegt, wie eine solche Wärmeversorgung umsetzbar wäre.
Allein hätte die Gemeindeverwaltung so ein großes Vorhaben nicht realisieren und betreiben können. Also kam es auf das ehrenamtliche Engagement der Bürgerschaft an. Im Juni 2012 wurde die Nahwärme Gössenheim eG gegründet, bei der auch die Gemeinde Mitglied ist: „Jedes der 94 Gründungsmitglieder hat einen Anteil beigesteuert, um das Planungsrisiko abzudecken.“ Auch die Planung selbst wurde erst durch Ehrenamtliche möglich: „Zehn bis zwölf Leute waren monatelang unterwegs. Wir sind in jedes Haus gegangen und haben es energetisch bewertet.“ Dabei wurde jeweils die aktuelle Wärmequelle und -verbrauch erhoben.
Grabarbeiten geschickt nutzen
Die Heizzentrale, das Herzstück des Nahwärmenetzes, wurde 2014 errichtet. Gleichzeitig starteten die Grabarbeiten für die Wärmeleitungen. Dabei wurden die Bauarbeiten noch für weitere Zwecke genutzt: Trink- und Abwasserrohre wurden überprüft, Leerrohre für Glasfaserkabel verlegt und die Hauptstraße saniert. Da der Großteil des Ortes an das Netz angeschlossen ist, wurde es möglichst ausfallsicher gestaltet. „Wir nutzen mehrere kleine Kessel statt einen großen“, erklärt Heeschen, „wenn es doch einmal zu einer Störung kommt, ist innerhalb von 10-15 Minuten jemand vor Ort.“
Insgesamt ist Heeschen mit dem Betrieb des Nahwärmenetzes zufrieden: „Die Versorgung der Mitglieder mit nachhaltiger Wärme funktioniert einwandfrei.“ Auch für den Zusammenhalt im Dorf war der Aufbau einer gemeinschaftlichen Wärmeversorgung ein Gewinn: „Manch ein Dorfbewohner hat uns mit aktiver Beteiligung und Mithilfe positiv überrascht. Da grundsätzlich jeder angeschlossene Haushalt auch Genossenschaftsmitglied wird, hat jeder das gleiche Mitspracherecht.“
Wünsche und Tipps für Energiegenossenschaften
Also alles prima in Gössenheim? Nicht ganz, denn die Genossenschaft plagt seit Jahren eine offene Baustelle: eigentlich sollte die Heizzentrale als Heizkraftwerk neben Wärme auch Strom erzeugen. Die Anlage ist zwar kurzzeitig gelaufen, steht mittlerweile aber still – und die Genossenschaft ist mit dem Hersteller im Rechtsstreit. Die ausbleibende Stromeinspeisung hat die Kalkulation über den Haufen geworfen. „Wir mussten nachfinanzieren“, sagt Heeschen, „für uns als Genossenschaft war dies gerade so tragbar, für einen Einzelnen wäre eine solche Situation der finanzielle Ruin.“ Heeschen wünscht sich hier bessere Unterstützung durch die Politik: „Gerade für Energiegenossenschaften wäre ein zentraler Ansprechpartner bei beteiligten Behörden wichtig. Bei Problemen wie bei uns bräuchten wir sichere politische Rahmenbedingungen, etwa eine Art Mediator für Streitigkeiten.“
Trotz der Probleme sagt Heeschen: „Wir sind stolz darauf, was wir für die Dorfgemeinschaft und die Umwelt erreicht haben.“ Anderen (geplanten) Genossenschaften rät Heeschen: „Probleme können immer auftreten, deshalb besser nicht rosarot rechnen und einen Dritten mit neutralem Blick einbinden. Außerdem hilft es, die Technik möglichst einfach zu halten, denn die Anlage muss auch bedient werden können.“
Text: Christian Dany, Miriam Lohmüller